Hände weg von der Altersgrenze

24-Stunden-Mahnwache vor dem Landtag

© Udo Milbret
Menschen stehen vor einer Bühne und halten Schilder mit der Zahl 60 in die Luft
02.12.2023

Wer kurz vor Weihnachten in dicker Winterjacke, Schal und Wollmütze im vollgepackten Kaufhaus steht, möchte schnell wieder raus. Das geht auf den Kreislauf und vor allem auf die Nerven. Doch selbst wenn unsere Fitness auf einem guten Stand ist, ist das noch lange nicht vergleichbar mit dem, was Feuerwehrleute in ihrem Job erleben. Hitze, schlechte Sicht, enge Gänge, Rauch und die Gewissheit, gerade für das Leben von anderen Menschen das eigene zu riskieren. Dabei nicht selten ein Rucksack von über 50 Kilo auf den Schultern. Hinzukommen Eindrücke, die im Gedächtnis bleiben. Nicht selten ist die mentale Belastung größer als die körperliche. Belastungen durch das Schichtsystem tun ihr übriges. Früher waren Feuerwehrleute froh, wenn sie die Pension erreichten. Ein Beruf, der Berufung ist und kaum systemrelevanter sein könnte. All das nehmen die Kolleg*innen über Jahre in Kauf. Sie lieben ihre Aufgaben und schätzen das Miteinander auf der Wache. Kollegen beschreiben, dass es am Ende der Laufbahn oft nicht einfach ist, Abschied von der Gemeinschaft zu nehmen, die Familie geworden ist.

 

„Die Belastungen im Feuerwehr- und Rettungsdienst steigen seit Jahren an. Die Besonderheiten des 24-Stunden-Dienstes, aber auch die enormen körperlichen und psychischen Belastungen der Tätigkeiten sorgen schon heute dafür, dass Ausfallzeiten mit steigendem Alter spürbar ansteigen."

Tjark Sauer, ver.di NRW.

Die Landesregierung möchte diesen Abschied nun nach hinten verschieben. Statt bei 60 Jahren soll die Altersgrenze für Feuerwehrbeamt*innen nun je nach Laufbahn bei 61 bzw. 62 Jahren liegen. Begründet wird das Vorhaben mit dem vorherrschenden Personalmangel und dem demographischen Wandel. Doch wie sollen Menschen langfristig für einen Beruf begeistert werden, wenn ihnenstatt personeller Unterstützung von ihrem Arbeitgeber noch mehr Last auf die ohnehin schwer beladenen Schultern gepackt wird? Ihren Protest tragen die Kolleg*innen nun schon länger vor. Nur hören wollte die Landesregierung ihn trotz vieler Gespräche und Stellungnahmen nicht. Noch beharrt die Koalition aus CDU auf ihrem Vorhaben. Gerne bemühen sie den Vergleich zur Polizei und dem späteren Renteneintrittsalter in anderen belastenden Berufen. 

 

Aktueller Höhepunkt der Proteste war die Mahnwache am 29. und 30. November. Rund 800 Kolleg*innen hielten bei eisigen Temperaturen und Regen vor dem Landtag aus. Zu Beginn der 24-stündigen Aktion kamen Vertreter*innen aus Gewerkschaften und Politik zu Wort. Bei der gemeinsamen Aktion von ver.di und komba NRW unterstützten die stellvertretende ver.di Landesleiterin, Birgit Sperner, die DGB-Vorsitzende Anja Weber sowie Vertreter*innen des Beamtenbundes die Forderungen zur Beibehaltung der Altersgrenze. Einen besonderen Stellenwert hatte der Gastbeitrag von Michael Mertens, Landesvorsitzender der GdP NRW. Nachdem die Sprecher*innen von Grünen und CDU immer wieder versuchten die Beamt*innen von Feuerwehr und Polizei gegeneinander auszuspielen, und auf die bereits höhere Altersgrenze der Polizei abzuzielen, setzte Mertens mit seinem Zuspruch ein wichtiges Zeichen. 

 

Die Landesregierung will sich noch nicht in die Karten schauen lassen. Man diskutiere aktuell, wie die geplante Gesetzesänderung aussehen soll. Dass ihre Milchmädchenrechnung nicht aufgehen wird, ist schnell erkennbar. Am frühen Morgen des zweiten Tages der Mahnwache konnten einige Teilnehmer spontan auf Einladung des Präsidenten des NRW-Landtags, den Sitzungssaal des NRW-Landtags und das Gebäude besuchen. Das Landtagsplenum selbst war dann am Nachmittag Schauplatz der Debatte um zwei Anträge von FDP und SPD. Die Fraktionen hatten beantragt, die Landesregierung aufzufordern, die Altersgrenze für Feuerwehrleute auf 60 festzulegen. Wie bereits gestern nach den Aussagen der Vertreter der CDU erwartet, haben die Fraktionen von CDU und Grünen mit ihrer Regierungsmehrheit beide Anträge abgelehnt.

 

Damit wird die Debatte um die Altersgrenze jetzt mit einem Gesetzentwurf der Landesregierung im Landtag weitergehen. Wir kennen den aktuellen Zeitplan des Innen-ministeriums noch nicht, werden aber informieren, sobald die Landesregierung einen geänderten Entwurf in die Beratungen des NRW-Landtags gibt. Bisher heißt es, dass dies noch im Dezember erfolgen soll, ob dies tatsächlich der Fall sein wird, können wir aktuell nicht absehen. Wir werden uns bis zur nächsten Wahl merken, wer am Ende für die Anhebung der Altersgrenze im Landtag die Hand gehoben haben wird. Und wie wir aus Baden-Württemberg wissen, kann eine andere Regierung auch einmal getroffene Entscheidungen revidieren.

Aber noch ist nichts beschlossen, noch nicht mal in den Landtag eingebracht.
Daher machen wir weiter Druck: Die 60 muss blieben!

 

Eine von vielen Soidaritätsadressen während der Mahnwache erreichte uns aus dem Gewerkschaftsrat in Berlin. Die Vertreter*innen aus NRW sicherten den protestierenden Feuerwehrkolleg*innen ihre Unterstützung zu und sendeten solidarische Grüße. 

 

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