Kapitel 4

Bildungsgerechtigkeit in den Mittelpunkt rücken

17.02.2022

Frühkindliche Bildung in der Kindertagesbetreuung, aber auch die pädagogischen Angebote im Rahmen des offenen Ganztags von Grundschulen, sind von zentraler Bedeutung für unsere Gesellschaft. Sie dienen einerseits der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und leisten damit einen bedeutenden Beitrag zur Ermöglichung der Erwerbstätigkeit der Mütter und Väter und zur Deckung des Bedarfs der Wirtschaft an Fach- und Arbeitskräften. Für die Kinder selbst ist der Zugang andererseits für den weiteren Lebensweg von entscheidender Bedeutung.

In Deutschland hängt der Bildungserfolg und auch der Einstieg ins Berufsleben immer noch sehr stark von der sozialen Herkunft ab, umso wichtiger ist die Entwicklungs- und Bildungsbegleitung in der frühen Kindheit, aber auch ergänzend zum Schulbesuch, um jungen Menschen mehr Chancen zu geben.
Die Beschäftigten leisten hier in vielerlei Hinsicht einen enormen Beitrag für das Funktionieren und die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft. Daher setzt sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di seit langem für die Verbesserung der Situation in den Einrichtungen und für eine nachhaltige Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe ein.

Während der Bedarf an Betreuungsplätzen in der frühkindlichen Bildung zunehmend steigt, spitzt sich der Fachkräftemangel im Sozial- und Erziehungsdienst seit geraumer Zeit zu. Der Rechtsanspruch auf U3-Plätze ist noch lange nicht für alle Kinder umgesetzt (die Betreuungsquote liegt aktuell bei 29,6%). Die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen OGS Platz in Grundschulen ab 2026 wird die Konkurrenz um pädagogische Fachkräfte massiv verschärften. Daher muss die künftige Landesregierung unverzüglich einen Schwerpunkt in den Ausbau von Ausbildungskapazitäten (in der vollschulische und praxisintegrierten Ausbildung) für pädagogische Fachkräfte legen.
Neben einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten und der Vergütung entsprechender Ausbildungen, muss die Landesregierung alle Anstrengungen unternehmen die Arbeitsbedingungen im Arbeitsfeld attraktiver zu gestalten. Viele Beschäftigte sind nach zwei Jahren Corona-Pandemie am persönlichen Limit angekommen. Viele Fachkräfte denken darüber nach, den Beruf auch aufgrund der Arbeitsbedingungen und der Belastung zu verlassen. Daher muss die künftige Landesregierung die Arbeitsbedingungen im Arbeitsfeld nachhaltig verbessern.

Im Offenen Ganztag müssen dringend (pädagogische) Mindeststandards durch die Landesregierung festgelegt werden. ver.di hat mit dem Vorschlag für ein „Gutes OGS-Gesetz" einen Entwurf zur Diskussion gestellt, der die Mindestbedingungen schaffen würde und aus dem sich auch die notwendigen Finanzierungsbedarfe ergeben. 

 

  • Ein OGS-Gesetz muss, entsprechend unter anderem:

    • verbindlich festgelegte Fachkraft-Kind-Relationen
    • verbindliche Mindestpersonalbemessung
    • Verfügungszeiten für Vor- und Nachbereitung
    • Zeiten für Teambesprechung / Konzeptionstage
    • Fort- und Weiterbildungsangebote

    regeln.

     

  • Kindertagesstätten:

    In Kindertagesstätten muss die Landesregierung unverzüglich die bestehenden Gesetze nachbessern. Mit einem eigenen Entwurf für ein Kita Gesetz für NRW (GEBT NRW) bzw. für ein bundesweites Kita-Gesetz (ver.di-Entwurf zu einem Bundes-Kita-Gesetz) hat ver.di Konzepte erstellt, die die Arbeitsbedingungen in Kitas nachhaltig verbessert und mehr Raum für pädagogische Arbeit schafft.

     

    Wir erwarten von einer künftigen Landesregierung:

    • die Finanzierung der Kitas am tatsächlichen Bedarf zu orientieren
    • Einen Betreuungsschlüssel (U3 = 1:3 und Ü3 = 1:7,5) im Gesetz festzulegen und in der Praxis tatsächlich zu ermöglichen
    • Verbindliche Regelungen zum Umgang mit Personalmangel bzw. Unterbesetzung mit den Trägern zu treffen
    • Mittelbare pädagogische Arbeit (Vor- und Nachbereitungszeiten) für pädagogische Fachkräfte ausbauen und verbindlich festzulegen
    • Ausbau Finanzierung und Ausbau der Leitungsfreistellung entsprechend den Anforderungen in der Praxis (z.B. Freistellungskontingent für ständige Vertretung) und Ausbau der Fachberatung
    • Zusätzliche Professionen in Kita dauerhaft finanzieren (z.B. Hauswirtschaft, Verwaltung usw.)
    • (Teilzeit-) Ausbildung ausbauen, verbessern und grundsätzlich vergüten
    • Kontingente für Praxisanleitung, die nicht auf den Fachkraft-Kind-Schlüssel angerechnet werden sowie Recht auf Qualifizierung zur Praxisanleitung, Recht auf Weiterbildung für Kinderpfleger*in zur/zum Erzieher*in, Regelungen zur Praxisintegrierten Ausbildung zur/zum Kinderpfleger*in.
    • Das System der Scheinselbstständigkeit von Kindertagespflegepersonen muss beendet und die Kolleg*innen bei einem öffentlichen oder freien Träger angestellt werden.

     

  • weitere Bildungseinrichtungen:

    Neben der Kindertagesstätte und dem offenen Ganztag kommen vor allem der Hochschule und den Bibliotheken eine besondere Bedeutung in der Bildungsgerechtigkeit zu. Wir brauchen ein kostenfreies qualifiziertes Bildungssystem von der frühkindlichen Bildung bis zur Hochschule und den Volkshochschulen. Die Beschäftigten in diesen Bereichen leisten Außerordentliches und verdienen ein Arbeitsumfeld, das ihrer Bedeutung gerecht wird. Auch muss es Jeder und Jedem möglich sein, diese Bildungseinrichtungen zu besuchen. Das Milieu darf keine Auswirkung auf die Bildungschancen haben! Es bedarf einer Förderung von Jugendlichen aus schwierigen Lebensumständen, die aufgrund der Coronapandemie nur unzureichend beschult wurden (z.B. Ausstattung der häuslichen Umgebung für home schooling) und werden, sowie schulersetzende Maßnahmen und Strukturen im Umgang mit Schulabsentismus. Konzepte des Kinder- und Jugendschutzes müssen geschlechtsspezifischer auf die Bedarfe von Mädchen und jungen Frauen abgestimmt werden.

     

    Konkret fordern wir:

    • Schaffung von Dauerstellen für Daueraufgaben für Wissenschaft, Technik und Verwaltung an Hochschulen und Anpassung von Befristungen an Vertragslaufzeiten.
    • Mindeststandards für Qualifizierung und Personalentwicklung an den Hochschulen sowie Weiterentwicklung des Vertrages zwischen Landesregierung und Hochschulen für gute Beschäftigungsbedingungen.
    • Die Landesregierung setzt sich auf Bundesebene für eine Reform des BAföG und Tarifierung im Bereich der studentischen Hilfskräfte ein
    • Erhöhung des allgemeinen Landes-Zuschusses für alle Studierendenwerke, der sich zu
      künftig an den Kosten wie Beratung, Preis- und Tarifsteigerungen orientiert sowie ein finanziell abgesichertes Wohnheimsanierungsprogramm.
    • Ausreichende Finanzierung der Digitalisierungsmaßnahmen, um die Bibliotheken für die Zukunft für ihre Versorgung mit sicheren Informationen zu wappnen.
    • Zurücknahme der eingeführten Sonntagsöffnung für die öffentlichen Bibliotheken.
    • Adäquate Ausstattung innerhalb aller Bildungseinrichtungen Zugang zu technischen Endgeräten auf angebrachtem Niveau und flächendeckendem Internetzugang, unabhängig von den Ressourcen der Kreise und Kommunen