01.06.2021
Innerhalb weniger Wochen hat die Corona-Pandemie unser gewohntes Leben und Arbeiten dramatisch verändert. In dieser Zeit zeigt sich einmal mehr, wie wichtig Gewerkschaften sind, damit sich nicht allein wirtschaftliche, kapitalistische Interessen durchsetzen. ver.di hat sich dafür eingesetzt, Einkommen zu sichern und Entlassungen zu verhindern. Durch Kurzarbeit und deren gewerkschaftspolitische Begleitung konnte bislang Massenarbeitslosigkeit verhindert werden. Je länger die Pandemie andauert, umso deutlicher wird, dass wirtschaftliche Interessen im Fokus der politischen Entscheidungen stehen und die Benachteiligung vieler Gruppen und damit die Spaltung in der Gesellschaft billigend in Kauf genommen werden.
Um die Ausbreitung des Virus zu bremsen, verordnete die Bundesregierung einen weitgehenden Stillstand des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Mittlerweile befinden wir uns zum zweiten Mal aufgrund der hohen Infektionszahlen im Lockdown. Erste Impfstoffe wurden entwickelt und geben Hoffnung, dass es durch wirksame Impfungen wieder einen Schritt zur „neuen“ Normalität geben kann. Partielle Rückschritte, wie z. B. durch mutierte Corona-Viren, sind nicht ausgeschlossen und manche Beschränkungen werden uns daher noch länger begleiten.
Der Ausnahmezustand droht zur Normalität zu werden. Viele Menschen haben unabhängig von der Ansteckungsgefahr Existenzängste, weil Betriebe geschlossen sind oder nur sehr eingeschränkt öffnen können und möglicherweise vor der Insolvenz stehen. Gleichzeitig arbeiten die Arbeitnehmer*innen in vielen Bereichen, die für die Aufrechterhaltung des Zusammenlebens unabdingbar sind, am Limit und sind zugleich erhöhten Ansteckungsrisiken ausgesetzt. Darüber hinaus erleben viele Beschäftigte im Homeoffice Fluch und Segen der Digitalisierung unter Bedingungen, die oft alles andere als optimal sind. Hier sind wir weiterhin gefordert.
Zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bedeuten zwangsläufig eine Einschränkung elementarer Grundrechte wie der Bewegungs-und Versammlungsfreiheit. In Abwägung gesundheitlicher Risiken können diese Maßnahmen gerechtfertigt sein. Sie müssen aber klar beschränkt sein und dürfen nur so lange gelten, wie es zur Eindämmung des Corona-Virus unabdingbar ist.
Betriebliche Mobilisierung für tarifpolitische Auseinandersetzungen ist unter diesen Umständen nur eingeschränkt möglich. Dennoch haben wir uns in allen Bereichen mit unseren und für unsere Mitglieder dafür eingesetzt, Belastungen und soziale Härten abzufedern, Sicherheit und Perspektiven zu schaffen sowie Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das machen wir gegenüber der Politik auf Bundes- und Landesebene, über Tarifverträge mit den Arbeitgebern und direkt in den Betrieben, Einrichtungen und Verwaltungen sehr erfolgreich. Wir haben für über eine Million Beschäftigte in der Altenpflege eine Prämie von 1.500 Euro durchgesetzt, in vielen Tarifverträgen eine steuerfreie Corona-Prämie und/oder die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes vereinbart und eine gesetzliche Erhöhung und Verlängerung des Kurzarbeitergeldanspruchs sowie eine Erhöhung der Tage mit Anspruch auf Kinderkrankengeld erreicht.
Unser Ziel ist es, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit zu erhalten sowie die Beschäftigten weiterhin vor der Verbreitung des Virus zu schützen! Ansonsten droht eine tiefe Spaltung der Gesellschaft. Mit großer Sorge nehmen wir die Signale aus Unternehmensverbänden und Politik wahr, die auf zukünftige sozial- und arbeitsmarktpolitische Einschnitte ausgerichtet sind.
Wir stellen euch bereits erste Textbausteine zur Verfügung, die Anlagen sind jeweils zum Download hinterlegt. Das vollständige Positionspapier findet ihr hier. Darin ist der komplette Text enthalten.
Für unsere Werte und Ziele, für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, für gute Arbeit und gutes Leben in einem demokratischen Sozial- und Rechtsstaat stellt Corona eine Bewährungsprobe dar.
Für das demokratische Gemeinwesen und insbesondere auch für die kollektive Interessenwahrnehmung von Beschäftigten und ihre Gewerkschaften sind die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen überaus spürbar und schmerzlich.
Während wir mit einer sehr großen Mehrheit der Bürger*innen die Einschränkungen dennoch akzeptieren und als notwendig erachten, gab und gibt es bundesweit Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Vorgeblich mit der Forderung nach Freiheit reklamieren die Demonstranten*innen schon durch ihr Verhalten faktisch nicht nur ein Recht auf Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit, sondern vor allem auch die Gefährdung der Gesundheit anderer.
Neben verunsicherten und wütenden Menschen nehmen immer mehr Verschwörungstheoretiker*innen, „Reichsbürger“ und andere rechte Gruppierungen, u. a. auch die AfD, an diesen Demonstrationen teil. Die Initiatoren der „Querdenken“-Bewegung verweigern dort die Distanz zu extremen Rechten, lassen zu, dass diese die Proteste dominieren.
Die Proteste gegen Corona-Maßnahmen bieten der extremen Rechten die Gelegenheit, mit Reichsflaggen und Nazisymbolen vor dem Reichstag erschreckende Bilder zu inszenieren. Anne Frank, Sophie Scholl oder der Judenstern: Immer wieder gibt es seitens der "Querdenken"-Bewegung Verweise auf Opfer aus der NS-Zeit. Solche Verharmlosungen des Nationalsozialismus und seiner tatsächlichen Opfer erodieren unsere Erinnerungskultur im Sinne von „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ und verhöhnen die tatsächlichen Opfer. Sie zeugen entweder auch von einer perfiden, bewussten Strategie oder einem Mangel von Empathie und Bildung auf vielen Ebenen. Damit wird geplant und systematisch die Grenze des Sag- und Zeigbaren verschoben, dem Rechtsextremismus neue Räume geboten.
Wir stellen uns mit aller Kraft gegen diese Form des Protests. Politische Auseinandersetzung mit den Corona-Maßnahmen sind in einer Demokratie wichtig und richtig, dürfen aber die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht überschreiten. Das tun in unseren Augen die Initiator*innen, indem sie rechten Gruppierungen diese Bühne bieten.
Wir stehen für eine offene, solidarische und multikulturelle Gesellschaft, in der alle Menschen, die in ihr ihren Lebensmittelpunkt haben - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und ihrem Pass - alle politischen und sozialen Rechte genießen und davon gleichberechtigt profitieren können.
Demokratie, soziale Sicherheit, Chancengleichheit und Gerechtigkeit sind die Fundamente für ein gutes Leben und für gute Arbeit.
Als Reaktion auf diese Entwicklungen und mit Blick auf die Bundestagswahlen hat die Arbeitsgruppe gegen Rechts einen Newsletter entwickelt, der nun vierteljährlich erscheinen soll. Der Newsletter informiert über Themen, Aktionen, Veranstaltungen und stellt Werkzeuge zur aktiven Auseinandersetzung mit rechten Ideologien bereit.
Viele Betriebe und Einrichtungen mussten aufgrund der verordneten Maßnahmen schließen und konnten ihre Angebote nicht oder nur sehr eingeschränkt erbringen. Die Bundesregierung hat umfangreiche Hilfen bereitgestellt und auch aufgrund des beharrlichen Einsatzes von ver.di vielfach ausgeweitet, um wirtschaftliche Notlagen abzuwenden oder zumindest abzumildern. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes (KUG) auf 24 Monate begrüßen wir, da es für viele Bereiche von existenzieller Bedeutung ist. Trotzdem nimmt der wirtschaftliche Druck in einigen Bereichen zu. Viele Betriebe können ihre Kapazitäten aufgrund der Auflagen und Einschränkungen nur eingeschränkt nutzen und ein Großteil der Unternehmen kann entgangene Umsätze nicht einfach nachholen. In anderen Firmen stockt die Produktion, da sie Teil internationaler Lieferketten und Wertschöpfungsnetze sind, die noch nicht wieder überall funktionieren. Statt einer raschen, V-förmigen Erholung sehen daher zahlreiche Branchen und Unternehmen einer unsicheren Zukunft entgegen. Existenzen und Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.
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Applaus allein reicht nicht – es braucht dauerhafte Verbesserungen
Die Beschäftigten in den lebenswichtigen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge und der privaten Dienstleistungen machen - nicht nur in der Pandemie - eine hervorragende Arbeit. Ihnen ist es zu verdanken, dass aus der Krise in den ersten Monaten keine Katastrophe wurde und die Versorgung der Bevölkerung nicht zusammenbrach. Was sie angesichts der außerordentlichen Belastungen und Risiken allerdings nicht brauchen, sind schlechtere Arbeitsbedingungen durch längere Arbeits-und kürzere Ruhezeiten, wie sie die COVID-19-Arbeitszeitverordnungen erlauben und die manche Arbeitgeber als Modell für eine neue Arbeitswelt sehen. Was diese Beschäftigten stattdessen brauchen, ist ein guter Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dass die Beschäftigten in den ersten Monaten öffentlich wertgeschätzt wurden, ist erfreulich. Aber die Arbeitnehmer*innen im Gesundheits- und Pflegesektor, in der Logistik, im Handel, in den sozialen Diensten – und das alles sind nur Beispiele – kurz: Die Menschen, die tagtäglich Außerordentliches leisten, verdienen dauerhaft gute Löhne und Arbeitsbedingungen. Erst „Gute Arbeit“ ermöglicht eine leistungsfähige und nachhaltige gesellschaftliche Infrastruktur. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden, dafür setzen wir uns ein. Die ersten Tarifrunden in den entsprechenden Bereichen haben gezeigt, dass wir uns auf harte Tarifauseinandersetzungen in den nächsten Jahren einstellen müssen. Allzu schnell war der Applaus für die Beschäftigten in den öffentlichen Dienstleistungen schon wieder vergessen.
Handlungsfähigkeit und Zukunft des Sozialstaats
Unser Sozialstaat hat sich in der Krise bewährt. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik hat bislang Massenarbeitslosigkeit verhindert. Die sozialen Sicherungssysteme konnten Millionen Menschen davor bewahren, in den Armutskeller zu stürzen. Die Daseinsvorsorge hat die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Grundgütern und Dienstleistungen sichergestellt. Gleichzeitig hat jedoch die Pandemie auch die Grenzen einer unterfinanzierten öffentlichen Daseinsvorsorge und die Lücken der sozialen Sicherungssysteme aufgezeigt.
Was bedeutet das für die Zukunft unseres Sozialstaats? Wir stehen vor einer politischen Richtungsentscheidung. Arbeitgeberverbände, wirtschaftsliberale Ökonomen sowie konservative und liberale Politiker*innen nehmen die staatlichen Unterstützungsleistungen und entstehenden Mehrausgaben zum Anlass, eine Kürzung der Sozialausgaben und somit einen Rückbau des Sozialstaats zu fordern. Die Mehrheit der Bevölkerung braucht aber nicht weniger, sondern mehr Sozialstaat. Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wo dringend nachgebessert werden muss: Bei der Daseinsvorsorge, auf dem Arbeitsmarkt und bei der sozialen Sicherung.
Deine Stimme zählt: Aufruf unterzeichnen
Die Corona-Pandemie hat die Welt noch immer fest im Griff. Dabei wird deutlich, dass die Menschen noch lange unter den Nachwirkungen der Krise leiden werden. Wie die Folgen abgemildert werden können und welche Lehren die Politik jetzt ziehen muss, um den sozial-ökologischen Umbau voranzubringen, ist Gegenstand eines bundesweiten Aufrufs, der am 17. Mai 2021 veröffentlicht wurde.
Daseinsvorsorge
Die wirtschaftliche Entwicklung und der soziale Zusammenhalt unseres Landes sind abhängig vom Zustand der Daseinsvorsorge, der öffentlichen Güter und der sozialen Infrastruktur. Die Corona-Pandemie legt schon länger bestehende Defizite der Daseinsvorsorge offen. In den letzten Jahrzehnten hat eine Politik der Entstaatlichung öffentliche Güter wie Gesundheit, Mobilität, Bildung, Betreuung und Wohnen zunehmend für den sogenannten freien Markt geöffnet und damit in Waren verwandelt. Deren Erbringung folgt vielfach nicht mehr gesellschaftlichen Zielen und Bedürfnissen, sondern privaten Profitinteressen. Die Beschäftigten in den Bereichen der kritischen Infrastrukturen bekommen im Schnitt bis zu 20 Prozent weniger Gehalt als Arbeitskräfte, die in anderen Wirtschaftssektoren arbeiten. Wobei in gewerkschaftlich gut organisierten und tarifgebundenen Bereichen, wie der Telekommunikation oder der Energieerzeugung, deutlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen vorherrschen als in der Altenpflege und im Einzelhandel. Dort sind starke körperliche und psychische Belastungen, Überstunden und geringe Wertschätzung an der Tagesordnung. Viele Bereiche der Daseinsvorsorge leiden aufgrund der politischen und fiskalischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte (Gewinnorientierung und Privatisierung, Steuerpolitik, Schuldenbremse, Krankenhausfinanzierung etc.) unter Personalmangel, Investitionsstau und sind chronisch unterfinanziert.
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Der Solidarpakt für Kommunen, mit dem der Bund und die Länder Gewerbesteuerausfälle ausgleichen und der Bund einen höheren Anteil der Kosten der Unterkunft von Grundsicherungsbezieher*innen übernimmt, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber wir brauchen eine dauerhafte Absicherung für Kommunen, über die die Investitionstätigkeiten deutlich gestärkt werden, und eine Altschuldenlösung für überschuldete Kommunen. Die zusätzlichen Kosten und Einnahmeausfälle, die den Kommunen durch die Pandemie entstanden sind und noch entstehen, müssen ausgeglichen werden, weil die Kommunen in NRW dies allein nicht stemmen können.
2_Kommunalfinanzbericht mit der Altschuldenlösung NRW
3_Aktionsbündnis Für die Würde unserer Städte
4_Petition Not der Städte in NRW endlich beenden
Auch die Sofortprogramme von Bund und Ländern für den ÖPNV sowie die Kulturwirtschaft gehen in die richtige Richtung, sichern aber noch keine dauerhafte Stabilität.
5_Gesundheit_Pflege_ver.di_NRW
6_Volksinitiative „Für gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!“
7_ Für eine lebenswerte (Innen-) Stadt
8_Erfahrungen mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst nutzen
Auf entsicherte Arbeitsmärkte treffen die Auswirkungen der Pandemie Geringverdienende und prekär Beschäftigte mit voller Wucht. Hierzulande wuchs in den letzten drei Jahrzehnten der Niedriglohnsektor, atypische und prekäre Beschäftigung haben stark zugenommen. Nur jede*r zweite Beschäftigte wird heute noch durch einen Tarifvertrag geschützt. Dadurch gehören Geringverdienende, Minijobber*innen, Leiharbeiter*innen, Teilzeitbeschäftigte, Werkvertragsnehmer*innen und Soloselbstständige zu den ersten Opfern der massiven Beschränkungen.
Die Corona-Pandemie trifft auch die Kolleg*innen mit Migrationshintergrund mit besonderer Wucht (z. B. die Auffälligkeiten in der Fleischindustrie und bei den
Erntehelfer*innen oder aktuell die bei ihnen gegebene Anhebung der sozialversicherungslosen Zeiten).
Durch die Covid 19-Pandemie sind diese Missstände wie durch ein Brennglas auffällig geworden. Sie waren aber immer schon da und gehörten zur Arbeitserlebens- und Lebenssituation von Kolleg*innen mit Migrationshintergrund.
Aktuelle Politik wie auch Maßnahmen zur Gegensteuerung und Abhilfe dieser zuvor beispielhaft beschriebenen Umstände dürfen nicht nur situativ sein, sondern müssen zur Abänderung der Zukunftsperspektiven nachhaltig wirken.
Ebenso stark betroffen sind Studierende. Sie mussten starke Einkommenseinbußen hinnehmen, viele verloren ihren Arbeitsplatz.
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Der Lockdown in der ersten und zweiten Welle offenbart große Versorgungslücken in unseren sozialen Sicherungssystemen. Sie schützen zahlreiche Bevölkerungsgruppen nicht ausreichend vor Armut und sichern nicht mehr ihren Lebensstandard. Die Risiken einer veränderten Arbeits- und Lebenswelt werden kaum abgesichert. Besonders hart trifft es all jene, die in Niedriglohnsektoren oder unsicheren Arbeitsverhältnissen arbeiten – ganz zu schweigen von den Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Besonders betroffen sind Frauen, da sie oftmals in Teilzeit oder Minijobs arbeiten und die Mehrheit der Beschäftigten in niedrig entlohnten Tätigkeiten – meist Dienstleistungsberufe – stellen. Zudem sind es Frauen, die wegen Betreuungs- oder Pflegeverpflichtungen eher zu Hause bleiben, Arbeitszeiten reduzieren und damit Lohneinbußen und Nachteile im Beruf riskieren. Die Pandemie hat gezeigt, dass Homeoffice überkommene Geschlechterrollen befördern kann. Bereits zuvor leisteten Frauen zwei Drittel der Sorgearbeit, weshalb sie oftmals der Erwerbsarbeit in Teilzeit nachgehen, mit allen Folgen, die diese für ihre soziale Sicherung mit sich bringt. Aktuell verschärft sich diese Doppelbelastung der Frauen, da sie im Homeoffice im Vergleich zu Männern deutlich mehr Zeit für Sorgearbeit aufwenden.
Wenn beide Partner im Homeoffice arbeiten, übernehmen die Frauen einen noch größeren Anteil der Sorgearbeit, während Männer eher mehr Überstunden machen. Dies gilt bei geringverdienenden Paaren noch stärker als bei Besserverdienenden. Diese Entwicklung hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konterkariert und ist ein Rückschritt in der Frauen- und Gleichstellungspolitik. Erschreckend müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass diese Rahmenbedingungen auch zu gestiegenen Fällen von häuslicher Gewalt führen, die für Betroffene, durch die Situation dauerhaft zuhause zu sein, mehr als nur aussichtslos wirkt.
9_Position Frauen- und Gleichstellungspolitik
10_Hans-Böckler-Stiftung Frauen in der Corona-Krise stärker belastet
Beschäftigte in Niedriglohnsektoren oder in Teilzeit können mit einem Kurzarbeitergeld von 60 Prozent ihren Lebensunterhalt nicht gestalten. Minijobber*innen können kein Kurzarbeitergeld beziehen, weil ihre Arbeitgeber nicht für sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Viele Beschäftigte, die in absehbarer Zeit arbeitslos werden, rutschen ins Grundsicherungssystem ab. Soloselbstständigen brechen Aufträge und Einkommen weg. Sie haben aber keinen Anspruch auf Absicherung ihres Lebensunterhalts über die Grundsicherung hinaus. Honorarkräfte, wie z. B. Musikschullehrer*innen, werden bei Schulschließungen nicht weiterbezahlt. Auszubildende verlieren ihren Ausbildungsplatz und Studierende, deren Nebenjob jetzt wegfällt, haben keinen Zugang zum Bafög. Nur noch 13 Prozent der Studierenden erhält heute noch Bafög; die Funktion, mehr Bildungschancen zu ermöglichen, erfüllt das Bafög schon lange nicht mehr. Diese Sicherungslücken müssen geschlossen werden.
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Die coronabedingten Zusatzkosten der Sozialversicherungszweige müssen vom Bund übernommen werden.Eine dauerhafte Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge auf dem Niveau von 40 Prozent lehnen wir ab. Wir halten Beitragsobergrenzen sozialpolitisch grundsätzlich für falsch. Außerdem lehnen wir jeglichen Eingriff in die Rücklagen und damit in die Selbstverwaltung der Sozialversicherungen ab
In jeder Krise schlägt die Stunde des handlungsfähigen Staates. Dieser wird zum Krisenmanager und Lebensretter. Nachdem zunächst einige Unternehmen gerettet, Arbeitsplätze weitgehend gesichert und Einkommen stabilisiert wurden, muss nun die Wirtschaft mit einem Konjunktur- und Investitionsprogramm angekurbelt werden. Diese öffentliche Investitionsoffensive muss die Zukunft sozial gerecht, ökologisch und ökonomisch vernünftig gestalten. Wir müssen den notwendigen sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft weiter vorantreiben.
Aus ver.di-Sicht spielt der Ausbau der Daseinsvorsorge dabei eine zentrale Rolle. Im Gesundheits-, Sozial-, Bildungs-, Kultur- und Wohnungsbaubereich gibt es große ungedeckte gesellschaftliche Bedarfe, die einen Personalaufbau und eine Aufwertung der Berufe erforderlich machen.
12_Gutes Wohnen – Arbeiten – Leben
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Die digitale Transformation wird gerade in vielen Bereichen massiv beschleunigt: Viele Menschen finden sich jetzt im Homeoffice wieder, arbeiten neben der Betreuung von Kindern, Versorgung von Angehörigen und Haushalt mit Laptop, Smartphone, Videokonferenzen, gemeinsamer Dokumentenbearbeitung im Netz etc.!
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13_Kein Abbau von Arbeitnehmer*innenrechten DGB-NRW
Allerdings fehlt es vielfach auch an Angeboten sowohl auf Hardware- als auch auf Softwareebene, die den Anforderungen an eine sichere und vertrauliche Kommunikation genügen und Abhängigkeiten von privaten Tech-Konzernen vermeiden. Technisch sind Angebote aus den USA und China europäischen Alternativen oft überlegen, vertraglich zugesicherte Datensicherheits- und Datenschutzstandards sind jedoch schwer überprüfbar und im Falle ihrer nachweislichen Missachtung trotz DSGVO auch nur schwer einklagbar. Hier besteht Nachbesserungsbedarf, sowohl in der Bundesrepublik als auch auf europäischer Ebene.
14_Arbeiten im Zuhause soll Gute Arbeit sein
15_Praxis gestalten – mobile Arbeit
Ein grelles Schlaglicht hat die Pandemie auch auf die Defizite der Digitalisierung im öffentlichen Sektor inkl. der Schulen geworfen. Es fehlt sowohl an materieller digitaler Ausstattung als auch an gemeinsamen Standards auf hohem datensicherheits- und datenschutzrechtlichem Niveau mit ausreichender Nutzerergonomie und Funktionalität für alle Beteiligten. Es wurde auch deutlich, dass es an Konzepten und einer ausreichenden Ausstattung und Unterstützung insbesondere für geringe und mittlere Einkommenshaushalte mangelt, die einer Verstärkung von Bildungs- und damit sozialer Ungleichheit durch Homeschooling entgegenwirken. Ebenso fehlt es an ausreichenden Fort-, Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten für das Personal und an qualifizierten Fachkräften in den Einrichtungen und Verwaltungen.
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Ein Virus, das keine Grenzen kennt, muss international bekämpft werden. Die Regierungen Europas versagten aber zunächst beim grenzüberschreitenden Krisenmanagement. Brüssel konnte sich, wie schon in der großen Finanzmarktkrise und im Umgang mit Geflüchteten, nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Die EU-Mitgliedsstaaten stimmten ihre Schutzmaßnahmen nicht miteinander ab. Statt internationale Solidarität zu üben, verboten die Nationalstaaten die Ausfuhr von medizinischen Gütern. Die Europäische Zentralbank musste wieder einmal den Retter in letzter Not spielen.
Im April 2020 einigten sich die EU-Finanzminister dann auf ein europäisches Hilfspaket im Umfang von 500 Milliarden Euro. Dadurch werden die besonders betroffenen Staaten finanziell entlastet, das ist zu begrüßen. Der im Mai von der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgeschlagene europäische Wiederaufbaufonds ist zudem ein fiskalpolitischer Paradigmenwechsel: Von den insgesamt 750 Milliarden Euro des Pakets sollen zudem zwei Drittel als Zuschüsse, nicht als Kredite an die betroffenen Mitgliedstaaten vergeben werden. Dadurch wird die Schuldenlast solidarisch verteilt, statt die nationalen Schuldenstände der – unverschuldet – besonders getroffenen Länder zu erhöhen. Das ist ein wichtiger Schritt zu einem solidarischen Europa. Nun geht es darum, dass der Vorschlag der EU-Kommission auch umgesetzt wird. Wir werden diese politischen Initiativen für ein sozialeres Europa deshalb mit aller Kraft unterstützen und die Bundesregierung drängen, durch eigenes politisches Handeln Europa zu stärken.
Europa ist jetzt auch humanitär gefordert. Schon vor der Pandemie war die Lage in den Flüchtlingslagern an den europäischen Grenzen, wie etwa auf den griechischen Inseln und in zahlreichen Unterkünften in den Mitgliedsländern, unerträglich – auch in Deutschland. Die Lebensbedingungen der Flüchtlinge sind nicht erst durch die Feuerbrände und die anschließenden Räumungen menschenunwürdig. Die Zustände so zu belassen, ist nicht nur aus humanitären Gründen nicht hinnehmbar. Die Geflüchteten müssen deshalb schnellstmöglich dezentral verteilt und so untergebracht werden, dass die Bedingungen menschenwürdig sind und Maßnahmen gegen die Pandemie gut umgesetzt werden können. Es ist ermutigend, dass zahlreiche Kommunen in der Bundesrepublik Kapazitäten und Aufnahmebereitschaft signalisiert haben. Als ver.di setzen wir uns dafür ein, dass die Bundesregierung dazu beiträgt, diese Bereitschaft auch in die Tat umzusetzen.
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Bereits vor der Corona-Pandemie waren die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt. Das Nettovermögen beläuft sich hierzulande auf stolze zwölf Billionen Euro, davon sind sechs Billionen Geldvermögen. Das reichste ein Prozent besitzt ein Drittel davon, das reichste Zehntel etwa zwei Drittel. Die ungleiche Vermögensverteilung droht sich noch zu verschärfen: Die deutsche Schuldenquote – der Anteil der Staatsverschuldung am Sozialprodukt – wird nach aktuellen Schätzungen auf 75 bis 85 Prozent ansteigen. Wenn Schulden im Nachgang der Krise durch staatliche Ausgabenkürzungen gesenkt werden sollten, dann geht das zulasten derjenigen, die ohnehin wenig haben.
Das gilt es zu verhindern. Die großen Vermögen müssen an der Finanzierung der Folgen beteiligt werden. Damit der Sozialstaat nicht schrumpft, sondern modernisiert und ausgebaut wird, muss die Verteilungsfrage gestellt werden. Die eklatante Vermögenskonzentration erfordert eine progressive Einkommens-, Erbschafts- und Eigentumsbesteuerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die großen Industrieländer ihre sehr hohe Verschuldung u. a. durch eine sehr hohe Besteuerung großer Einkommen und Vermögen abbauen. Die wirtschaftliche Entwicklung wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil: In den 1950er, 1960er und 1970er Jahren lagen die Spitzensteuer-sätze bei Einkommen und Erbschaften zwischen 60 und 90 Prozent. Gleichzeitig erlebten die Industriestaaten eine wirtschaftliche Hochphase. Ein guter Startpunkt für eine umverteilende Steuerpolitik wäre die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Gleichzeitig brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte über umverteilende Steuerpolitik (Erbschafts-, Finanztransaktions-, Kapitalertragssteuer, Digitalisierungsabgabe) sowie die Ahndung der Steuervermeidungsstrategien des Kapitals.
16_DGB Verteilungsbericht 2021
Es ist grundsätzlich falsch zu denken, Staatsschulden müssten umgehend abgetragen werden. Wir können im Gegenteil mit einer deutlich höheren Staatsverschuldung in die Zukunftssicherung nachfolgender Generationen investieren. Die deutsche Schuldenquote liegt deutlich unter der US-amerikanischen, britischen oder japanischen Staatsschuldenquote.
Die höheren Schulden führen absehbar nicht zu einer Inflation, zu einer Kapitalflucht internationaler Investoren und sie schränken den staatlichen Handlungsspielraum nicht dramatisch ein.
In Deutschland sind fast alle Staatsschulden negativ verzinst, da die internationalen Investoren in unsicheren Zeiten für sichere Wertpapiere Schlange stehen. Folglich ist die staatliche Zinslast in den letzten Jahren deutlich gesunken. Anleger, die dem deutschen Staat 1.000 Euro leihen, zahlen bei zehn Jahren Leihfrist jedes Jahr ein paar Euro drauf. Dieses Geld bekommt der Finanzminister geschenkt. Wenn die Leihfrist abläuft, wird der alte Kredit durch einen neuen Kredit ersetzt.
Während Ausgabenkürzungen verteilungspolitisch ungerecht sind und zudem der wirtschaftlichen Erholung schaden, fördern kreditfinanzierte Investitionen die wirtschaftliche Entwicklung. Solange die Wachstumsraten höher sind als der Zins, sinkt sogar die Schuldenquote. Folglich sollten künftige Investitionen kreditfinanziert werden. Wir brauchen eine grüne Null – Klimaneutralität – statt einer schwarzen Null. Allerdings müssen dafür die Schuldenbremsen aufgehoben oder zumindest im Sinne einer „Goldenen Regel“ verändert werden, damit dadurch die Verschuldung für Investitionen erlaubt würde. Die europäischen Schuldenregeln müssten verändert werden: Mit der derzeitigen Begrenzung der zulässigen Staatsschuldenquote durch die Maastricht-Kriterien auf 60 Prozent lässt sich die Zukunft nicht gestalten. Zudem ist die Grenze ökonomisch nicht begründbar.
Wir werden daran arbeiten, gemeinsam mit Sozialverbänden, sozialen Bewegungen, Fridays for Future und progressiven Parteien gesellschaftliche Mehrheiten für einen sozial-ökologischen Umbau zu organisieren. Dieser muss sich an den gesellschaftlichen Bedarfen anstatt der Profitmaximierung orientieren und zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen. Zur Finanzierung müssen die großen Vermögen herangezogen werden.
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